
Do It Yourself – Mai 2021
How to set up an Impf-Fabrik
Statt sein persönliches Impfangebot unterbreitet zu bekommen, langwierige Terminverhandlungen am Telefon zu führen und die Anamnese von Angesicht zu Angesicht besprechen, verfolgt Dr. Stefanie Schmickler einen ganz anderen Plan: Weg von der händischen Kleinarbeit, hin zur Massenabfertigung am digitalen Fließband.
Do It Yourself – Mai 2021
How to set up an Impf-Fabrik
Nun kämpfen auch die Hausärzte mit ihren Impfungen gegen Corona an und merken, dass sich neben der Verfügbarkeit der eigentlichen Impfstoffe plötzlich ganz neue Probleme bilden.
Die Impfkampagne durch die Hausärzte wurde durch die Menschen groß bejubelt – für die Ärzte selbst war sie vor allem eine knochenharte Aufgabe. Schließlich werden die Impfstoffe nicht einfach vom Gesundheitsminister vom Himmel geschmissen: Jeder Arzt muss die Vakzine selbst bestellen und dabei um jeden Milliliter bangen, der ihm zugeteilt wird. Und dann muss er sich auch noch selbst darum kümmern, dass die richtigen Patienten zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Schließlich weiß jeder Arzt, dass es nicht das Problem ist, den Impfstoff in den Oberarm zu befördern. Das Nadelöhr ist alles, was darüber hinaus geht. Dr. Schmickler aus Ahaus hat das erkannt – und hat deshalb den ganzen Impfablauf digital auf den Kopf gestellt
Dilemma in der Praxis
Dr. Stefanie Schmickler und ihr Team vom Augen-Zentrum-Nordwest gehören zu den renommiertesten Augenärzten in Deutschland. Um die Impfquote in ihrer Region voranbringen zu können, wurde ihnen als eine der ersten Facharzt-Kliniken Impfstoff zugeteilt.
Als sie die ersten Ampullen erhalten haben und mit den Impfungen für die ersten Menschen gestartet sind, ist ihnen schnell klar geworden, dass die Vergabe der Impfstoffe an die Patienten sogar noch komplizierter und aufwendiger ist, als sie es anfangs befürchtet hatten.
Denn der Blick in die Patientenakte und ein einzelner Anruf sind längst nur der Anfang – die Suche nach Personen, die ein Impfangebot am ehesten erhalten sollten, hat sich vom erwarteten Selbstläufer zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen entwickelt.

Statt täglich dutzende Male das gleiche Vorgespräch zu führen, hat Dr. Schmickler ein Vorgespräch aufgezeichnet, das fortan an jeden Patienten vorher ausgespielt wird
Während auf der einen Seite die Telefonleitungen durch Anrufer, die sich zu den Impfungen informieren wollen, lange überlastet sind, ist es auf der anderen Seite für die Ärzte schwer, jemanden zu finden, der in die Impfpriorisierung passt, zur richtigen Zeit den Hörer abnimmt oder auch überhaupt an einer Impfung interessiert ist. Die Gründe dafür reichen von dem fehlenden „Glauben an Corona“, über einen unpassenden Impftermin, den Zweifel an einzelnen Vakzinen oder bis hin zu den allermeisten Fällen, die ihre Impfung längst schon irgendwie erhalten haben.

Was die konsequente Digitalisierung im Augen-Zentrum noch übrig lässt. Jede Impfdose ist der Person, die sie später erhalten soll, fest zugeteilt – den Weg dahin findet er über die Mitarbeiter
Impfen mit Highspeed
„Wir wollen uns nicht mehr telefonisch mühselig auf die Suche nach impfwilligen Leuten machen. Deshalb haben wir den Spieß einfach umgedreht.“, erklärt die Augenärztin. „Wer sich bei uns impfen lassen möchte, trägt sich einfach online ein, füllt vorab seine Daten aus und bekommt je nach Priorisierung eine Reihe von Terminen angezeigt, für die man sich direkt und auch verbindlich eintragen kann.“ Besonders pfiffig: Jeder, der nun einen Termin für die Impfung bekommt, hat sich nicht nur namentlich dafür angemeldet, sondern auch seinen „Wunsch-Arm“ für den Einstich, sowie die Anamnese online angegeben, unterzeichnet und sogar schon das digitale Arztgespräch geführt.
Zuteilung und Vernetzung zwischen Arzt, Vakzin und der zu impfenden Personen laufen vollständig digital über corona.chayns.de. Die Plattform fragt bei den teilnehmenden Ärzten die Anzahl der verfügbaren Impfstoffe ab und legt daraus entsprechende Kapazitäten an, über die sich die Menschen jeweils für ein Vakzin anmelden können. Betreiber der Plattform sind die Tobit.Software Laboratories AG, die diese unentgeltlich zur Verfügung stellen. Nachdem die Plattform bereits über eine halbe Millionen Schnelltests nur in NRW digital vermittelt hat – inklusive Terminbuchung, Übermittlung des Testergebnis und der entsprechenden, digitalen Ausgabe eines Zertifikats – will der Hersteller nun auch die Impfungen voranbringen – und erprobt das System, bereits mit dem Augen-Zentrum. Nachdem die Pilotphase erfolgreich absolviert wurde, wird das System auch anderen Impfärzten kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Über den Anwesenheitscheck per QR Scan gibt der „Impfling“ den Ärzten Zugang zu allen für die Impfung relevanten Informationen, die schon vorher ausgefüllt wurden
Der Unterschied zwischen herkömmlicher Einzelbehandlung und der digitalen „Massenabfertigung“ ist für Schmickler bereits jetzt klar erkennbar: „Eine normale Hausarzt-Praxis erhält 18 bis maximal 50 Impfstoffdosen pro Woche – und selbst dort, mit diesen geringen Mengen, hört man von Dosen, die nicht verimpft werden können.“, erklärt die Fachärztin und deutet auf einen kleinen QR Code an der CheckIn-Station. „Dadurch, dass die Leute uns jetzt selbst schon vorher Arbeit abnehmen, können wir strukturierter und in Serie arbeiten. Mittlerweile schaffen wir allein pro Stunde über 20 Impfungen– und das ist erst der Anfang.“
Die nächste Stufe des Pilotprojekts sieht vor, die einzelnen Impfungen aus den Praxen auf einem zentralen Ort zusammenzubringen, der den Ärzten dabei hilft, ihr „Tagesgeschäft“ und Impfungen unter einen Hut zu bringen und sich gleichzeitig sogar für den Empfang größerer Menschenmengen eignen kann. Na, wenn das nicht nach einem dezentralen Impfzentrum in einem Nachtclub klingt...
Über das Augen-Zentrum-Nordwest
Nächste Digital Bedtime Story
„Jetzt mal was Anderes“
Warum nicht mal ein neues Projekt anfangen? Trotz randvollem Terminkalender startet Björn Kemper regelmäßig Projekte, an denen er Spaß hat. Lesen