Gastronomie – Februar 2021

Gastronomie ohne Gäste (1/2)

Stell Dir vor, es gibt Gastronomie, aber keiner geht hin! „Ghost Kitchens“, so heißen Restaurants, die ihre Gäste zwar gerne bekochen – sie allerdings nicht bei sich empfangen wollen. Und die sind nicht erst seit Corona auf dem Vormarsch. Drei unterschiedlichste Ghost Kitchen-Konzepte zeigen, wie man selbst mit der neuen Form der Gastronomie erfolgreich ist.

 

 

Gastronomie – Februar 2021

Gastronomie ohne Gäste (1/2)

Was muss man nicht alles tun, um Gäste bei sich zu empfangen und zu bewirtschaften: Tische, Stühle, ein passendes Ambiente und ein guter, schneller Service, der dem Gast bestes Essen bringt. 

Während die einen viel Aufwand betreiben, um ihren Gästen das perfekte Erlebnis zu bieten, ist anderen das völlig egal. „Ghost Kitchens“, so nennt man Restaurants, die sich ihren gesamten Gastbereich gespart und ihre Gäste dafür nur auf den Sofas bedienen. 

Und das gibt es nicht nur in den Staaten, sondern längst auch in Deutschland. Wir haben drei komplett unterschiedliche Konzepte unter die Lupe genommen, die mit chayns als digitaler Plattform¹ bereits selbst eine erfolgreiche Ghost Kitchen betreiben.

#1 Ghost Kitchen als Projekt

Eigentlich ist Sven Lehnhoff ein Koch, Podcaster² und Gastroberater aus Cloppenburg. Die Pandemie hat ihm, wie vielen anderen, einen leeren Terminkalender beschert – bis er im November dann die Idee hatte, sich für die Nachbarschaft wieder an den Herd zu stellen und Weihnachtsgänse für das Fest professionell zuzubereiten. „Kochen ist meine Leidenschaft. Und ich wollte anderen in einer ähnlichen Situation zeigen, was sie jetzt machen können.“, sagt Sven Lohnhoff. „Mein ganzes Konzept ist daher auch absichtlich sehr reduziert gehalten. Jeder mit einer Küche kann es nachmachen.“

Regelmäßig steht Sven Lehnhoff in der Küche des Münsterländer Hofs und kocht alles, was ihm in die Finger kommt

Mit dem erfolgreichen Verkauf der Weihnachtsgänse hat Svens „Underground Kitchen“ – so der Name des Projekts – allerdings nicht aufgehört. Im Gegenteil: Es hat ihm so viel Spaß gemacht, dass er sich weitere Aktionen ausgedacht hat. Unter anderem Rouladen, Sushi und Burger hat der 41-Jährige schon gekocht und war wegen einer genauen Planung immer ausverkauft. „Ich denke mir ein Gericht aus, stelle es in meinen Online-Shop, mache Postings auf Social Media und koche dann ein paar Tage später frisch für alle, die bestellt haben.“  erklärt Lehnhoff. „Ich mache das nur mit einer digitalen Plattform, weil es sonst aufwändig und auch nicht so nachzumachen wäre.“

#2 ... als Neuanstrich

Dass es für eine Umstellung nie zu spät ist, zeigt das TKWY in Ahaus. 2012 wurde der Laden mit dem Anspruch, nicht als Imbissbude, sondern eher als outgesourcte Küche zu kochen, eröffnet. Wie der Name (kurz für Takeaway) schon verrät, ist auch dieses Konzept ursprünglich gänzlich für den Außer-Haus-Verkauf geplant gewesen – trotzdem konnte man anfangs zumindest auf einen kleinen Gastraum nicht so wirklich verzichten. „Nur eine Küche ohne Zugang für Gäste? Anfangs war uns der Gedanke wohl noch ein bisschen zu drastisch.“ sagt Claire Krotofil, die für das Konzept verantwortlich ist „Mittlerweile haben wir uns getraut, komplett auf unseren Gastraum zu verzichten.“ Die Bestellung und Abholung läuft inzwischen nur übers Smartphone: Man wählt Online aus, bestellt, bezahlt und scannt einen QR Code wenn es fertiggekocht ist – allerdings nicht im ehemaligen Gastraum oder der der Küche selbst, sondern am „Abholschalter“. Direkt draußen an der Straße. 

Dem Umsatz hat die Umstellung dabei keinen Abbruch getan. Das liegt vor allem daran, dass schon lange immer weniger im TKWY selbst, sondern zuletzt sogar ausschließlich im Voraus über das Smartphone bestellt wurde. Dem ehemaligen Gastraum hatte man indes einen anderen Zweck gegeben: Wo sonst Tische und Stühle standen, findet man heute Lebensmittel, Haushaltsbedarf und Co. – die die Gäste rund um die Uhr, sieben Tage die Woche im Selbstbedienungs-Kiosk kaufen können³.

„Sesam, öffne dich“: Hinter dem Abholschalter werden Burger, Pasta und Pizza frisch gekocht

#3 ... als StartUp

Marcus Geßler ist Seriengründer in der Gastronomie und hat Ende Oktober seine allererste Ghost Kitchen gestartet: Das UMAI in Münster kocht asiatische Spezialitäten wie Sushi, Chicken Tikka Masala oder Tom Kha Gai – ebenfalls nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. „Ich habe das Konzept entwickelt, um unsere bestehenden Küchen in Münster während des Lockdowns besser auszulasten und um unsere Plattform hungrig.ms mit spannenden neuen Konzepten noch interessanter für unsere Kunden und Gäste zu machen.“, erklärt Geßler. „Gerade die asiatische Küche ist ja für den Außer-Haus-Verzehr berühmt.“

Ohne eine digitale Verbindung geht gar nichts. 

Marcus Geßler

Eine starke Online-Präsenz sieht Geßler als unverzichtbar, um mit einer Ghost Kitchen erfolgreich zu sein. „Was eine normale Gastronomie mit schicker Einrichtung, Flair und einer ausgehängten Karte erzeugt, müssen wir über die sozialen Netzwerke mit Aktionen und Inhalten erreichen.“, empfiehlt Geßler und nimmt auch Bezug zu den großen Lieferplattformen wie Lieferando. „Natürlich ist es wichtig, auch dort vertreten zu sein – vor allem in einer Stadt wie Münster. Noch wichtiger ist es allerdings, dass man langfristig seine Stammkunden auf seine eigene Website bewegen, Gebühren sparen und vor allem einen direkten Draht zu seinen Kunden herstellen kann. Ohne chayns als digitale Plattform geht das für uns nicht.“

Where the magic happens: In der Küche von Marcus Geßler (l.) und Dung Tran werden wöchentlich hunderte, asiatische Speisen gekocht und ausgeliefert

Ghost Kitchens sind lange keine realitätsfremden Nischen-Klitschen für die Großstadt, sondern längst profitable Konzepte, mit denen Gastronomen auch in Zukunft immer häufiger rechnen werden. Doch fortschreitende Digitalisierung ändert nicht nur die Betriebe selbst: Auch die Lieferpunkte ändern sich. Neben dem Tisch im Restaurant und dem Sofa zuhause, liefern Gastronomen nun auch an ganz andere Orte: In die Kneipe von nebenan, Food Courts oder auf die Sitzbank im Stadtpark⁵...

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